Unvergesslich bleibt die erste Begegnung. Das ist bei einer großen Liebe nicht anders als bei einer langen Freundschaft. Ich begegnete Phil Bosmans zum ersten Mal (1976) im Zusammenhang mit dem Erscheinen seines ersten Buches in deutscher Sprache Vergiss die Freude nicht. Er nahm sich viel Zeit und zeigte mir die verschiedenen sozialen Einrichtungen, die der von ihm begründete belgische »Bund ohne Namen« in Antwerpen in Gang gesetzt hatte. Beim Autofahren mitten im Großstadtverkehr, sagte er, der damals in seiner flämischen Heimat schon so bekannt war wie der sprichwörtliche bunte Hund: »So viele Menschen wenden sich an mich, als ob ich ihre Not wegzaubern könnte. Aber das kann ich nicht. Ich bin nicht der große Wundermann. Ich bin nur ein kleiner Mensch, nur eine Glasscherbe, durch die die Sonne scheint.«

Licht in das Dunkel des Lebens zu bringen, einen kleinen Sonnenstrahl, das hat er durch unzählige persönliche Begegnungen und dann auch durch Texte versucht, die wie ein Hebel in einer festgefahrenen Situation wirken. Diese Texte, die er später auf regelmäßig erscheinenden doppelseitigen Karten (»Hebelkarten«) verbreitete, haben eine eigene Vorgeschichte. Er hat sie selbst erzählt: »Ich hatte gehört, dass man am Telefon das Horoskop abhören kann. So etwas wollte ich auch machen – mit einer positiven Botschaft, mit Vitaminen für das Herz auf dem Anrufbeantworter. Ich bekam eine gut zu merkende Telefonnummer. Ich dachte, das Ganze würde vielleicht nicht lange gehen. Aber es erwies sich als Renner.«

Jede Woche, zwölf Jahre lang, hat Phil Bosmans auf diese Weise kurze, drei bis fünf Minuten dauernde Lebensimpulse, Vitamine für die Seele, über das Telefon verbreitet. So sagt er: »Du hast den Hörer am Ohr. Es ist doch eigentlich fantastisch! Ich sehe dich nicht, ich kenne dich nicht, und doch spreche ich mit dir … Wenn du müde bist, am Ende, der Kopf tot wie ein Stück Holz und das Herz ausgebrannt, wenn alle Lichter ausgegangen sind und du nicht mehr siehst, wie es weitergehen soll, wenn du gar nichts mehr siehst – dann kann ein Wort, ein Gedanke, ein Bild, eine Erinnerung manchmal wie ein Stern in deiner Nacht aufleuchten. Ja, wir sind hier unten sehr oft am Boden, liegen da wie ein Vogel mit gebrochenen Flügeln. Was kannst du machen, wenn du ganz unten bist? Nach oben schauen! Schau zur Sonne, steh auf! Wenn du das Zuviel an Sorgen und Ballast von dir wirfst, wirst du leichter, und dann geht es. Glaub mir.«

In diesen Texten zeigt sich immer wieder die besondere Kunst von Phil Bosmans, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, sie voller Sympathie, einleuchtender Überzeugungskraft und nicht selten mit Humor unmittelbar anzusprechen. Er ist weder Intellektueller noch Psychoguru, weder Literat noch Starautor. Phil Bosmans ist einfach Mensch unter Menschen, sein ganzes Leben lang hat es ihn zu Menschen hingezogen. Hinter jeder Zeile, die er geschrieben hat, stehen lebendige Menschen, Erfahrungen mit ihrer Hilflosigkeit ebenso wie mit ihrer Sehnsucht nach Geborgenheit und Glück. Immer geht es um elementare Lebenserfahrungen, zu denen er manchmal mit drastischer, meistens aber mit humorvoll gewinnender Unverblümtheit vorstößt. Seine Texte sind immer kurz und bündig. Er bringt die Sache sozusagen auf den Punkt. Er kann wunderbar erzählen, in wenigen Worten eine anrührende Szene, eine zu Herzen gehende Lebensweisheit, wie zum Beispiel: »Glück kann man nicht kaufen. Liebe gibt es nur umsonst.« Ulrich Schütz